Zwei wie Pech und Schwefel

Was gibt es für ein Kind schöneres als einen eingeschworenen Freund zu haben? Ein Kind, mit dem man die Köpfe zusammenstecken und Streiche aushecken, spielen, reden und das Pausenbrot tauschen kann? Jemand, der einen nicht hängen lässt, wenn der gemeine Mitschüler nervt oder die Lehrerin wegen der nicht gemachten Hausaufgaben mit einem Donnerwetter droht?

Für die meisten Jugendlichen entsprechen diese Wünsche der Wirklichkeit. So geben in der repräsentativen Jacobs Studie (2014) ganze 92 % der 14-17-Jährigen geben an, beste Freunde zu haben.

Aber wie und wo finden Kinder und Jugendliche überhaupt solche engen Freunde?

„Gleich und gleich gesellt sich gern“ sagen die Einen, „Gegensätze ziehen sich an“ die Anderen. Spielt es eine Rolle, ob Katrin genauso gerne Spaghetti mit Tomatensosse mag und ein Faible für Ponys hat wie Tanja? Ist Michael bei Vincent gleich untendurch, weil er den Hype um „Star Wars“ bescheuert findet? Oder sind Unterschiede in der Persönlichkeit und den Interessen gerade das Salz in der Suppe, das eine Freundschaft erst zu etwas Besonderem werden lässt?
Kindergruppe-GummitwistDie Forschung zeigt, dass Freundschaften sich über die Zeit eher vertiefen, wenn zwei Menschen glauben, ähnliche Eigenschaften zu haben (Selfhout und Kollegen, 2009). Auch gemeinsame Interessen scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. So befragte der Psychologe James Youniss bereits im Jahr 1980 eine Reihe von Kindern verschiedener Altersstufen, was für sie einen besten Freund auszeichnete. Ähnliche Interessen und Aktivitäten standen gerade bei den älteren Kindern ab 12 Jahren hoch im Kurs (siehe auch: Grossmann & Grossmann, 2003). Auch in der deutschen Jacobs-Studie (2014) berichtet ein erheblicher Teil der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren, dass eine gemeinsame Wellenlänge (62%) und gleiche Interessen (35%) in einer Freundschaft „ganz besonders wichtig“ sind. Sogar ein ähnlicher Musikgeschmack kann dazu beitragen, dass Jugendliche eher eine neue Freundschaft miteinander knüpfen (Selfhout und Kollegen, 2007).

Schlussendlich tragen Gemeinsamkeiten auch dazu bei, dass sich leichter eine „Freundschafts-Identität“ entwickelt. Ein ähnlicher Kleidungsstil oder das Tauschen von Klamotten, der gemeinsame Einsatz bei der Wasserwacht oder die geteilte Liebe zum Zocken schafft ein gewisses „Wir-Gefühl“, eine Nähe. Gleichzeitig grenzen sich Kinder und Jugendliche dadurch auch von anderen ab und positionieren sich im sozialen Gefüge. Sie signalisieren deutlich nach aussen, wer Teil dieses Freundschafts-Gespanns ist und wer nicht: Thomas und Lukas erfinden zum Beispiel ein besonderes Begrüssungsritual (einschlagen, abklatschen „chaka-boom!“ o.ä.), andere Kinder klügeln Geheimzeichen oder –sprachen aus oder denken sich Spitznamen füreinander aus, die nur die engsten Freunde benutzen dürfen. Wieder andere geben ihrer Clique einen Namen und handeln sogar „Spielregeln“ oder einen „Ehrenkodex“ aus. Dadurch zeigen Kinder und Jugendliche, wie viel Gewicht die Freundschaft hat und heben hervor, dass es sich um eine besondere Verbindung handelt.

Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass ähnliche Interessen, Hobbies und Rituale als Motor für Freundschaften dienen können: Sie geben immer wieder Anlass zu gemeinsamen Unternehmungen und liefern immer neuen Zündstoff für spannende Diskussionen.

Bei manchen Kindern bleibt die Suche nach solch einem „Gspändli“ jedoch erfolglos. Oft ecken diese Kinder durch ihre aussergewöhnlichen Interessen an und wirken auf Gleichaltrige deshalb „komisch“ oder sie sind zu schüchtern, um auf andere zuzugehen. Vielleicht interessiert sich der Sohn mehr für verschiedene Vogelarten als für Star Wars und verbringt seine Freizeit lieber im Wald als vor der Spielekonsole? Vielleicht zeichnet die Tochter lieber im stillen Kämmerchen als mit den Gleichaltrigen um die Häuser zu ziehen?

Gerade wenn Kinder nur schwer Anschluss finden, sind sie auf die Starthilfe ihrer Bezugspersonen angewiesen. Wenn Sie Ihrem Kind dabei helfen möchten, bereichernde Kontakte zu knüpfen, können Sie sich die folgenden Fragen stellen:

  • Welche Interessen hat mein Kind? Gibt es Stärken, die es momentan wenig ausleben kann bzw. gerne weiterentwickeln würde
  • Gibt es Vereine, Kurse oder Veranstaltungen, bei denen mein Kind auf Gleichgesinnte stossen könnte?
  • Wie sieht es in der Schule, Verwandtschaft oder Nachbarschaft aus? Welche Kinder könnten ähnliche Interessen haben?
  • Wie könnte mein Kind mit diesen in Kontakt treten?
  • Wann und wo könnte sich eine Gelegenheit ergeben, miteinander in Kontakt zu kommen oder eines dieser Kinder einzuladen?

Strukturierte Freizeitaktivitäten können für Kinder ein erster Einstiegspunkt sein, um auf Gleichgesinnte zu treffen und andere näher kennenzulernen. Sie können nach und nach Sicherheit gewinnen, bis sie sich trauen, die Beziehung zu vertiefen (und ein anderes Kind beispielsweise zu sich nach Hause einzuladen). Das Alter der Kinder spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Manchmal freunden sich schüchterne Mädchen und Jungen lieber mit jüngeren Kindern an, die im Spiel weniger dominant sind. Auf der anderen Seite findet sich in einem älteren Jugendlichen oder Erwachsenen nicht selten ein mit der Zeit lieb gewonnener Mentor, der sich für ein ähnliches Thema begeistern kann und die Stärken des Kindes sieht.

Bibermaedchen_unsicher_scheuSchüchterne und unsichere Kinder machen sich oft Sorgen, wie sie auf andere zugehen sollen, z.B.: „Ich weiss gar nicht, was ich zu den Anderen sagen soll, wenn die alle schon spielen und ich komme dazu…Bestimmt fällt mir wieder nichts ein, worüber wir reden könnten.“ In spezifischen Vereinen findet sich hingegen müheloser ein geeignetes Gesprächsthema. Die Wahrscheinlich ist hoch, dass sich auch die anderen im Vogelschutzverein für verschiedene Vogelarten und deren Lebensraum interessieren werden. Es besteht also eine gute Chance, dass Michael dort für sein Wissen geschätzt wird und sich andere gerne mit ihm austauschen. Ganz anders als in der Schule, wo sein Hobby eher als „uncool und langweilig“ gilt.

Auch impulsive oder hyperaktive Kinder können in Sportvereinen oder der Pfadi oft leichter ihre positiven Seiten nach aussen kehren als in der Schule oder im freien Spiel. Denn vielen Gleichaltrigen gelingt es nicht, über das Bild des Klassenclowns oder des „Bestimmers“ hinweg zu sehen. Sie wenden sich daher ab, bevor sie die vielen positiven Eigenschaften des jeweiligen Kindes überhaupt erst entdeckt haben. In einem Verein kann der unermüdliche Bewegungsdrang eines Kindes hingegen ein Segen für das Team sein, das kreative Denken oder der Erfindergeist die Rettung bei der Schnitzeljagd / dem Fährtenlauf. Die klaren Spielregeln oder Werte eines Vereins schenken impulsiven Kindern zudem oft die nötige innere Struktur, damit das Zusammensein mit anderen positiver verläuft.

Solche strukturierten Freizeitangebote sollten unserer Meinung nach vor allem als Türöffner verstanden werden und nicht als Ersatz für soziale Aktivitäten. Wir persönlich finden es unheimlich wichtig, dass Kinder unverplante Zeit geniessen können, in der sie ohne engmaschige Beoachtung von aussen und die „Bespassung“ durch Erwachsene frei miteinander spielen und eigene Aktivitäten aushecken können. Gerade solche spontanen, nicht reglementieren Spiele schulen die soziale Kompetenz und führen dazu, dass sich Freundschaften vertiefen können. Kinder lernen dabei, aufeinander zuzugehen, sich auf ein Spiel zu einigen, ihre Spielsachen zu teilen und dabei ihre Fantasie einzusetzen. Sie werden dazu angeregt, kleinere Meinungsverschiedenheiten selbständig zu lösen, weil nicht ständig ein Erwachsener in Hörweite ist. Damit Kinder überhaupt erst auf die Idee kommen, ihre freie Zeit miteinander zu verbringen, braucht es eine vorherige Kennenlernphase, die für manche Kinder mit Sorgen und Ängsten verbunden ist. Vereinsaktivitäten und Kurse können hierbei Erleichterung bieten.

Wo könnte Ihr Kind /Schüler auf Gleichgesinnte treffen? In einem Zeichenkurs, im Schwimmverein oder in der Reitschule? Wie könnten Sie Ihr Kind ermutigen, mit anderen in Kontakt zu treten? Welche Gesprächsthemen würden sich einigen?

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