Angst mit Mut begegnen
Vorträge können ganz schön stressen, ich sag’s Ihnen! Nur falls Ihre Schulzeit schon lange her ist und Sie es vielleicht schon vergessen oder verdrängt haben! Und dann noch so ein schwieriges Thema wie „Fledermäuse“. Zum Glück konnte mir Nora zeigen, wie man mit Vortragsangst umgeht. Wenn Sie sehen möchten, wie ich meine Angst besiegt habe, können Sie sich den folgenden Film anschauen. Fabian und Stefanie erklären dabei, worauf es ankommt, wenn man ein Angstmonster besiegen will. Wer weiss, vielleicht will Ihr Kind ja auch eines loswerden?
Film ab!
Das hilft gegen Ängste
Ängste gehören zum Leben dazu. Allerdings kann es vorkommen, dass diese ein besorgniserregendes Ausmass annehmen und das Leben eines Kindes immer mehr beherrschen. Als Eltern können Sie gegensteuern, wenn Sie wissen, unter welchen Bedingungen Ängste zu- oder abnehmen. Kleinere Ängste können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind besiegen. Bei sehr starken Ängsten, die bereits lange anhalten, empfehlen wir Ihnen, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, der/die sich auf Kinder spezialisiert hat. Ängste lassen sich meist relativ gut und rasch behandeln.
Und das können Sie tun, um Ihrem Kind bei Ängsten zu helfen:
1. Erklären Sie Ihrem Kind, wie Ängste funktionieren
In unserem Video lernt der kleine Biber, dass Ängste grösser werden, wenn man ihnen aus dem Weg geht und abnehmen, wenn man sich ihnen stellt.
Dabei ist es hilfreich, wenn man an Erfahrungen des Kindes anknüpfen kann, um diesen Punkt zu veranschaulichen. Im Film schildert der Biber dazu, wie er in der Badeanstalt trotz anfänglicher Angst vom Sprungbrett gesprungen ist.
Sie können sich das Video gemeinsam mit Ihrem Kind anschauen und es als Anlass nehmen, um mit dem Kind über Angst im Allgemeinen und seine eigenen Ängste zu sprechen.
2. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, warum es sich lohnt, sich seinen Ängsten zu stellen
Sich mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen ist nicht angenehm. Der kleine Biber kommt ganz schön ins Schwitzen, als er vortragen soll. Je mehr die Kinder die Vorteile sehen, die ihnen winken, wenn sie die Angst besiegen, desto eher sind sie bereit, sich der Angst zu stellen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, was sich in seinem Leben verbessern würde, wenn es die Angst los wäre.
3. Ermutigen Sie Ihr Kind, sich seinen Ängsten in kleinen Schritten zu stellen
Ängste nehmen ab, wenn man sich ihnen stellt.
Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, was es sich zutrauen würde. Sie können dazu einen Trainingsplan erstellen, der vorsieht, dass sich das Kind seiner Angst schrittweise nähert. In unserem Beispiel mit dem Vortrag wird dazu die Dauer und das Publikum variiert. Eine kurze Sequenz nur vor Nora vorzutragen scheint dem Biber machbar. Sobald er dies kann, kann er eine längere Sequenz vortragen. Klappt auch dies, könnte das Publikum erweitert werden.
Hat ein Kind Angst vor Hunden, kann beispielsweise die Distanz verändert werden: Ein Hund aus 10 Metern Entfernung anzuschauen, löst weniger Angst aus, als direkt vor ihm zu stehen. Man könnte auch mit einem sehr kleinen Hund beginnen und sich dann langsam immer grösseren Hunden nähern.
Wichtig ist, dass Sie das Kind zwar motivieren, sich seiner Angst zu stellen, es aber nicht unter Druck setzen. Sagen Sie Ihrem Kind, dass es die Übung jederzeit abbrechen darf, wenn es ihm zu viel wird. Loben Sie es aber für seinen Mut und jeden kleinen Fortschritt.
4. Achten Sie darauf, dass die Begegnung mit der Angst positiv verläuft
Den Satz „Ängste nehmen ab, wenn man sich ihnen stellt“ müssen wir noch etwas erweitern. Er sollte eigentlich lauten:
Ängste nehmen ab, wenn man sich ihnen stellt – sofern man dabei positive Erfahrungen macht!
Vortragsangst nimmt natürlich nicht ab, wenn man sich überwindet den Vortrag zu halten und dabei blossgestellt wird. Und die Angst vor Hunden wird nur noch grösser, wenn wir beim Streicheln gebissen werden.
Sie können die folgenden Dinge tun, damit ein Kind die Konfrontation mit der Angst positiv erlebt:
- Überfordern Sie das Kind nicht. Gehen Sie lieber einen Schritt zurück, wenn die Angst zu gross wird. Dabei können Sie sagen: Bis hierhin schaffst du es bereits. Das ist toll und das reicht für heute. Den nächsten Schritt sparen wir uns noch auf.“ Überlegen Sie gemeinsam mit dem Kind, wie Sie einen weiteren Zwischenschritt einbauen könnten.
- Zeigen Sie dem Kind Ihre Anerkennung für seinen Mut, sich der Angst auszusetzen. Gerade bei Vortrags- und Prüfungsangst sowie Schüchternheit sind Kinder sehr auf ein gutes Ergebnis bedacht. In einem ersten Schritt sollte es aber darum gehen, sich der Angst zu stellen. Legen Sie den Fokus darauf, indem Sie das Kind nicht dafür loben, dass es etwas gut gemacht hat, sondern dass es seinen ganzen Mut zusammengenommen hat. Zum Beispiel indem Sie sagen: „Hey, ich weiss, das hat dir ziemlich Angst gemacht. Ich finde es cool, wie du dich überwunden hast. Das hast sicher eine Menge Mut gebraucht. Wie hast du das geschafft?“
- Üben Sie die gleiche Situation mehrmals. So kann sich das Kind daran gewöhnen und merkt: „Ich habe jedes Mal weniger Angst!“
- Seien Sie sparsam mit Verbesserungsvorschlägen! Wenn wir Angst haben, sind unsere Fähigkeiten eingeschränkt. Wir können den Vortrag nicht gleich gut halten oder uns gleich locker mit anderen unterhalten wie wenn wir keine Angst hätten. Wir haben zudem sehr grosse Ohren für Kritik und Abwertung. Daher sollten sich Ihre Rückmeldungen vor allem auf den Mut des Kindes beziehen und auf die Punkte, die bereits gut laufen.
5. Trainieren Sie jeweils nur einen Punkt auf einmal
Beim letzten Punkt könnte man denken: Aber mein Kind muss doch auch lernen, wie man einen guten Vortrag hält, andere Kinder anspricht etc. Dazu muss ich es doch auch auf Schwachstellen und Fehler ansprechen können?
Das stimmt. Aber denken Sie daran, wie gross das Ohr für Kritik gerade bei ängstlichen Kindern ist. Meldet eine Lehrerin einem Kind mit Vortragsängsten drei positive und einen negativen Punkt zurück, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es zu Hause weinend erzählt, dass der Vortrag „total mies“ gelaufen ist.
Wenn Sie mit einem ängstlichen Kind üben und es auf Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen möchten, sind die folgenden Formulierungen sinnvoll:
- (Wenn das Kind nicht anfangen kann) Findest du den Anfang auch so schwierig? Mir hast das auch immer am meisten Mühe gemacht. Ich zeige dir einen Trick: Du nimmst eine Kreide und schreibst das Thema auf die Tafel. Dann drehst du dich um und fängst gleich mit der Begrüssung an. Willst du das mal versuchen?
- Mir hilft es immer, wenn ich die wichtigsten Punkte auf Karteikarten habe. Dann kann ich kurz auf die Karte schauen, wenn mir nichts mehr einfällt.
- Weisst du, was ich noch toll fände? Wenn du mich ab und zu anschaust. So als würdest du es mir erzählen. Ich weiss, das ist ziemlich schwierig. Willst du es mal versuchen? Komm, wir machen es so: Immer wenn du mit einem Satz fertig bist, schaust du kurz zu mir hoch. (Hinweis: Lächeln Sie dem Kind ermutigend zu, wenn es hochschaut – dann wird ihm dies bald leichter fallen).
- Ich fand es schön, wenn du mich angeschaut hast. Ich habe gleich gemerkt, dass ich dir dann besser zuhören kann. Gibt es in deiner Klasse einige Kinder, die dir eher Mut als Angst machen? Könntest du diese ab und zu anschauen, während du vorträgst?
6. Nutzen Sie Vorbilder
Wir lernen Ängste sehr rasch durch Modelle. Kreischt und flieht der starke, grosse Vater, wenn er eine Spinne sieht, wird das Kind, das ihn dabei beobachtet, mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Spinnenphobie entwickeln.
Wir sind dazu veranlagt, Ängste sehr rasch abzuschauen. Ein kleines Gnu kann schliesslich nicht darauf warten, von einem Löwen gebissen zu werden, bevor es den Instinkt entwickelt, vor Löwen zu fliehen. Sobald die anderen Gnus in Panik wegrennen, rennt es auch. Und wenn es sieht, dass die anderen vor einem Löwen wegrennen, wird es Angst vor Löwen entwickeln – ohne selbst negative Erfahrungen mit Löwen gemacht zu haben. Ein sehr sinnvoller Mechanismus!
Leider schauen wir uns auch ziemlich sinnlose Ängste ab.
Falls Sie als Elternteil die gleiche Angst haben wie Ihr Kind, sind Sie in einer idealen Position, um Ihrem Kind zu helfen. Trainieren Sie gemeinsam mit Ihrem Kind! Wenn das Kind sieht, wie Sie Ihre Angst überwinden, sich dem Hund nähern und diesen schliesslich streicheln, hilft ihm dies, seine eigene Angst zu überwinden. Dabei lernen Kinder mehr und schneller von Modellen, die zuerst ihre eigene Angst besiegen müssen als von Modellen, die keine Angst haben.
In mehreren Studien konnte man zeigen, dass Kinder sehr von anderen Kindern als Modellen profitieren. Sahen beispielsweise Kinder mit einer Hundephobie einen Nachmittag anderen Kindern dabei zu, wie diese mit Hunden spielen, überwand sich ein Grossteil der Kind ohne weiteres Zutun von aussen und begann nach einer Weile ebenfalls, sich den Hunden zu nähern und diese zu streicheln.
7. Helfen Sie dem Kind dabei, seine Gefühle auszudrücken
Wie Sie im Video vielleicht bereits gesehen haben, nimmt Angst ab, wenn wir sie als solche benennen. Bereits der Satz „Das macht mir Angst“ reduziert die Angst ein wenig. Warum? Wenn wir uns der Angst bewusst werden, gewinnen wir ein wenig Distanz zu unseren Gefühlen. Wir können uns zudem fragen: Wie will ich mit der Angst umgehen?
8. Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Kind einen Notfallplan
Was kann ich tun, wenn:
- Ich den Faden verliere?
- Auf eine Frage keine Antwort weiss?
- Mich verlaufe?
- Die anderen gemein zu mir sind?
- Ich während der Prüfung in Zeitnot gerate?
- Fehler mache?
Je besser wir uns auf ein Ereignis vorbereitet fühlen, desto weniger Ängste löst es aus. Fragen Sie Ihr Kind, wovor es sich fürchtet (nicht warum!). Am besten leiten Sie die Frage ein, indem Sie seine Gefühl spiegeln. Zum Beispiel: Das kann einem schon Angst machen, so ein erstes Schullager. Was könnte denn da alles passieren?
Es hilft Ihrem Kind, wenn Sie genau zuhören und dann mit ihm gemeinsam überlegen:
- Wie schlimm wäre das wirklich, wenn das passiert?
- Was könntest du tun, wenn es passiert?
- Was könntest du tun, damit es möglichst nicht passiert?
Oft merken Kinder bei genauerem Hinsehen, dass die vermeintliche Katastrophe gar nicht so schlimm wäre, sie eine Lösung finden würden oder sie etwas tun können, damit es ziemlich unwahrscheinlich wird, dass das befürchtete Ereignis eintritt.
Hinweis: Wenn Sie Ihr Kind bei Ängsten liebevoll begleiten möchten, empfehlen wir Ihnen gerne das Buch „Huch, die Angst ist da!“ von Ulrike Légé und Fabian Grolimund. Es ist in einen Kinder- und einen Elternteil gegliedert und vermittelt Ihnen alles, was Sie wissen müssen, um Ihr Kind bei Ängste wirksam zu unterstützen (mit einem Klick auf das Cover gelangen Sie zur Bestellmöglichkeit):
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