Über schöne Momente sprechen
Die Positive Psychologie sowie Studien zur menschlichen Widerstandskraft (Resilienz) konnten belegen, dass Menschen mit einer positiven Grundhaltung glücklicher und gesünder durchs Leben gehen.
Doch wie soll man reagieren, wenn das eigene Kind ein richtiger kleiner Pessimist ist und überall nur das Haar in der Suppe sieht?
Jammern hat oft versteckte Gründe
Die anderen sind gemein, die Lehrerin ungerecht, die Hausaufgaben zu schwierig oder zu blöd, der Familienausflug langweilig. Bei Kindern, die sehr oft jammern, hat man als Eltern das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen. Kaum ist ein Problem gelöst, taucht ein neues auf.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass es Ihrem Kind eher darum geht, ständig ein neues Problem zu haben, als diese zu lösen, könnte dies versteckte Gründe haben.
Manche Kinder sind deswegen ständig am Jammern, weil sie darüber fast sofort die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern erlangen können. Sie machen die Erfahrung: Wenn ich von meinen Sorgen und Problemen erzähle, bekomme ich Zuneigung und Nähe.
Manchmal entwickelt sich daraus ein Teufelskreis. Das Kind jammert immer öfter, die Eltern werden müde. Nun reagieren die Eltern ungeduldiger, hören etwas weniger zu. Das Kind reagiert darauf, indem es mit noch dramatischeren Problemen aufwartet, um die ersehnte Aufmerksamkeit und Zuwendung zurückzugewinnen. Gleichzeitig reagieren die Eltern immer weniger auf positive Meldungen des Kindes, da sie froh sind, wenn endlich einmal alles in Ordnung ist und das Kind sie nicht braucht.
So brechen Sie aus dem Teufelskreis aus
Kritik am Kind, Zurechtweisungen oder Apelle, die Welt positiver zu sehen, nützen wenig. Erlebt das Kind diese Reaktionen als Zurückweisung, verstärkt sich sogar sein Wunsch, Nähe herzustellen und es wird noch eindringlicher über seine Sorgen sprechen.
Falls das Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung und Intimität hinter dem Jammern steckt, lässt sich der Teufelskreis am leichtesten durchbrechen, indem das Kind die Erfahrung macht: Meine Eltern sind voll und ganz da für mich, wenn es mir gut geht und wenn ich über schöne Erlebnisse spreche.
Hören Sie weiterhin zu, wenn das Kind jammert – aber achten Sie darauf, dass Sie noch einen Tick präsenter sind, wenn es über seine Stärken, schöne Momente mit anderen Kindern oder die Sonnenseiten seiner Lehrer/innen spricht. Dazu können Sie ein Gesprächsverhalten nutzen, das die positive Psychologie als aktives und konstruktives Zuhören bezeichnet.
Aktiv und konstruktiv Zuhören
Vielleicht ist Ihnen auch schon folgendes passiert: Sie kommen freudestrahlend nach Hause und erzählen ihrem Partner von einem für Sie sehr wichtigen Erfolg, der Beförderung oder der erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung. Ihr Partner sagt etwas wie: „Wow toll!“ oder „Ich freue mich total für dich!“ Obwohl sich die andere Person gefreut hat, sind Sie irritiert. Sie haben sich irgendwie mehr erwartet. Sie hatten sich den ganzen Tag auf diesen Moment gefreut und nun weiss niemand so recht, was er sagen soll. Fünf Minuten später spricht man über etwas anderes, fängt an zu kochen oder sucht das TV-Programm aus.
Es ist schwierig, sich länger und ausgiebig über schöne Momente zu unterhalten. Sagen Sie hingegen einen Satz wie „Mein Chef ist so ein fieser Sack!“ ist Ihnen die Aufmerksamkeit im Freundeskreis oder beim Partner sicher. Mit diesem Thema lässt sich problemlos ein Abend füllen.
Durch aktives und konstruktives Zuhören helfen Sie dem Gegenüber, mehr über einen schönen Moment zu erzählen, diesen nochmals nachzuerleben und mit Ihnen zu teilen. Sie können dazu genauer nachfragen: „Was ist genau passiert?… Wie lief das ab?… Was hast du da gemacht?… Was meinst du, warum ist das passiert?“ Sie können es nachfühlen: „Hey wow – du bist sicher total stolz – ich jedenfalls wäre es. Du musst mir alles erzählen… Lass uns das feiern!“
Das mag sich am Anfang komisch anfühlen. Vielleicht hilft Ihnen in diesem Fall die „Was ist gut gelaufen – Übung“ aus der positiven Psychologie.
Bei dieser Übung nehmen Sie sich am Abend im Bett einen Moment Zeit, um mit Ihrem Kind über drei Momente zu sprechen, die am heutigen Tag „gut gelaufen“ sind. Sie können lediglich das Kind erzählen lassen oder selbst drei Momente beisteuern. Damit lenken Sie einerseits den Fokus des Kindes auf die schönen Aspekte seines Lebens – auf der anderen Seite vermitteln Sie ihm indirekt: Ich bin auch dann für dich da und höre dir zu, wenn du über Positives sprichst!
Vertiefen Sie das Gespräch, indem Sie Fragen zu den positiven Erlebnissen stellen wie: „Was meinst du, warum das passiert ist?“, „Was hast du dazu beigetragen?“, „Wie könntest du dafür sorgen, dass das öfter passiert?“. Indem Sie den schönen Dingen auf den Grund gehen, werden diese erlebbar, wiederholbar und zu einem verbindenden Element in der Beziehung zu Ihrem Kind. Zudem wird Ihr Kind mit der Zeit aktiver nach solchen Momenten Ausschau halten, damit es am Abend etwas Schönes zu berichten hat.
Wir haben diese Übung im folgenden Film mit dem kleinen Biber dargestellt (sie startet bei Minute 2:51):
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Sie das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl Ihres Kindes fördern können, empfehlen wir Ihnen gerne unser Seminar „Resilienisch“ – ein Sprachkurs für innere Stärke (Resilienz in der Familie)